„Mensch, wo bist du?“
Von leeren Kirchen und vollen Stränden

von Thibaut

„Mensch, wo bist du?“ (1. Mose 3,9) – diese Frage kann einem in den Sinn kommen, wenn man sich mal durch Zufall oder Absicht an einem Sonntagmorgen in eine Kirche verirrt/begibt.
Besonders Menschen diesseits der 60 Jahre sucht man dort meist vergeblich.
Insbesondere hier in den „Neuen Bundesländern“ ist vielen Menschen die Idee von Gott, Kirche und Jesus suspekt oder kurz gesagt: Sie glauben nicht daran (meist ohne sich je mit der Möglichkeit beschäftigt zu haben). Auch gibt es viele Menschen die sich sagen: „Ich glaube zwar an Gott, aber das kann ich ja genauso gut von zuhause aus tun. Was soll ich in diesen (meist) schlecht geheizten, überdimensionalen Räumen mit harten Bänken und einem großen Kreuz vorn? Außerdem erzählen die da ja eh nichts Neues.“. Viele jüngere Menschen haben also keinen oder nur einen sehr schwachen Bezug zur Kirche.

Wie kommt das?
In der Evangelischen Kirche bedeutet die Taufe Aufnahme in die Kirche.
Da sie jedoch meist im Kindesalter stattfindet, gibt es noch die Konfirmation, um Jugendlichen die Entscheidung, die für sie als Kinder getroffen wurde, bestätigen zu lassen. In der Vorbereitungszeit werden wichtige Glaubensinhalte vermittelt und – das kommt oft zu kurz – es wird eine Beziehung zur Kirche hergestellt. Traditioneller Konfirmandenunterricht, wie man ihn kennt oder sich vorstellt, in dem ein Pastor, 30 Konfis wöchentlich wie in einer Schulklasse im Frontalunterricht mit den Inhalten christlichen Glaubens konfrontiert, hat Schwierigkeiten, die Konfis zu erreichen und sie zu motivieren, eine Kirche auch nach ihrer Konfirmation (und vor einer evtl. Hochzeit oder sicheren Beerdigung) wieder von innen zu sehen.

Beten auf dem Campingplatz
Es geht aber auch anders: Ein Sommertag auf einem Fehmarner Campingplatz. Mitten auf dem Campingplatz zwischen Deich und Dauercampern steht eine Meer aus weißen Zelten und mitten darin ein bunt gestreiftes und ausladendes Zelt. Nein, wir haben es hier nicht – wie man auf den ersten Blick denken könnte – mit dem Gastspiel eines Zirkus zu tun, sondern mit einem sogenannten „Konficamp“. In diesem Modell von Konfirmandenunterricht findet der größte Teil des Unterrichts in zehn Tagen fern von zuhause statt. Ältere Jugendliche (sogenannte „teamer“) zwischen 15 und 22 Jahren übernehmen in Kleingruppen den Unterricht. Dieser Unterricht ist speziell auf die Konfis abgestimmt und behandelt alle wichtigen Aspekte des christlichen Glaubens. Andere Jugendliche übernehmen die Freizeitgestaltung, bieten Sport und Spiele an. Durch das enge Zusammenleben auf dem Camp und in den Zelten werden Themen des Unterrichts und Glaubens wie z.B. Gemeinschaft oder Vergebung am eigenen Leib erfahrbar. Gemeinsame Andachten, die eigene Konficampband und Musik, die rock-lastiger ist, als man sie aus einem normalen Gottesdienst kennt, sind ein anderer wichtiger Bestandteil des Konficamps. Diese Andachten werden oft von den Konfis mit Hilfe eines Pastors für die anderen Konfis vorbereitet, sodass die Andachten der Erlebniswelt und dem Verständnis der Konfirmanden angepasst sind.
Einer der Höhepunkte des Konficamps ist der Tag, an dem es um das Thema „Taufe“ geht. An ihm werden alle Konfirmanden, die es noch nicht als Kinder wurden, im Meer getauft. Nach zehn Tagen fahren dann alle wieder nach Hause und die Konfis haben noch ein paar Treffen, um den Campunterricht zu ergänzen. Der Großteil der Konfis ist begeistert und kann das erste Nachtreffen kaum erwarten.

Glaube zum Ausprobieren
Wer jetzt sagt, diese Begeisterung ist nur da, weil sie mit Gleichaltrigen zehn Tage am Strand verbracht haben und das diese Begeisterung bald, spätestens nach der Konfirmation, verschwunden ist, hat in gewisser Weise recht, irrt sich aber auch zugleich sehr. Recht insofern, was die Tatsache angeht, dass diese Gemeinschafft im Erleben des Glaubens mit anderen Jugendlichen sie, wenigstens für den Moment, ein Stück weit vorurteilsfreier an den Glauben herangehen lässt. Während der Zeit in dem Camp ist niemand da, der sie schräg anschaut, wenn sie zur Andacht gehen und dort Kirchenlieder singen, denn das tun ja alle. So gibt es den Jugendlichen die Möglichkeit, die Sache mit dem Glauben einmal „auszuprobieren“. Natürlich ist es trotzdem so, dass viele Konfis nach ihrer Konfirmation nicht so schnell wieder eine Kirche betreten, weil sie Anderes im Kopf haben, doch gibt es aber auch einige – und davon gar nicht mal so wenige – die einen Teil ihrer Zeit, auch nach der Konfirmation, in der Kirche verbringen. Sei es nun in einem der Freizeittreffs am Abend oder weil sie beginnen, sich selbst ehrenamtlich zu engagieren.

In der Tat wird in der Kirche nichts Neues erzählt, aber in Gemeinschaft mit anderen den eigenen Glauben zu erleben, ist jedes Mal aufs Neue ein Erlebnis.
Das mag nicht jeder so sehen und einige mögen dem gar heftig wiedersprechen, weil sie eben nicht an Gott glauben. Aber die Möglichkeit für Jugendliche, sich im Glauben „auszuprobieren“ und festzustellen, ob sie nicht in ein paar Jahrzenten einer von den Menschen jenseits der 60 sein wollen, die sonntags in der Kirche anzutreffen sind ( und sich an ihre gemeinsame Konfizeit auf Fehmarn erinnern).


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