Ein Buch zu empfehlen ist nicht einfach: Denn wer weiß, ob das, was man selbst schätzt, mit anderen Augen gelesen nicht als trivial erscheint? Oder abgegriffen? Oder kitschig?
von Christoph Borgans
4000 Deutsch-Lesende aus aller Welt haben es dennoch gewagt und sich am Wettbewerb „Mein Lieblingsbuch“ beteiligt. Wie schon bei den Wettbewerben der letzten Jahre („Ausgewanderte Wörter“ oder „Der schönste erste Satz“) hat das Goethe-Institut die besten Einsendungen ausgewählt und im gleichnamigen Sammelband veröffentlicht.
Darunter finden sich viele Kinder- und Jugendbücher (Emil und die Detektive), aber auch Klassiker (Duineser Elegien), Werke der Gegenwartsliteratur (Liebe heute) und einige Kuriositäten (DUDEN). Die meisten der kurzen Texte bieten eine anregende Lektüre. Sei es, weil man die eigenen Lieblingsbücher wiedererkennt und sich der Freude geteilter Lektüreerfahrungen hingeben kann, oder, weil man entdeckt, was man bislang alles vernachlässigt hat. Lesenswert sind auch die persönlichen Geschichten: Beispielsweise von Reinhard Bröker, der als Junge im Sperrmüll eine Ausgabe der Kirchengeschichte findet und zwischen ihren Seiten 50 Mark entdeckt – genau so viel, wie er als Austräger der Bistumszeitung verschludert hatte. Oder von Birgit Jordan, die sich von Momo überzeugen lässt, ihr Karriereleben aufzugeben und an die Karibikküste zu ziehen. Denis Lukashevskiy, der mit seinem Text den dritten Platz im Wettbewerb belegte, berichtet wie Der Vorleser ihm eine völlig neue Perspektive auf Nazideutschland eröffnete und Liebe heute von Maxim Biller zeigt Kathrin Heydebreck, dass es „tatsächlich Menschen gibt, die genauso verrückt sind wie ich“.
Ein rundum gelungener Sammelband, wären seine Redakteure nur nicht der seltsamen Idee verfallen, die Einsendungen nahezu unredigiert abzudrucken. Dieses Vorgehen mag theoretisch Authentizität bezeugen, in der Praxis aber führt es dazu, dass peinliche Flüchtigkeitsfehler dauerhaft aufs Papier gebannt wurden – vor allem bei den Autoren, die das Deutsche nicht als Muttersprache erlernt haben. Dabei handelt es sich nicht um eine kreative Neuverwendung deutscher Wörter, sondern um schlichte Kasus- und Flexionsfehler wie „die Inhalt des Buches bleibt immer tief in mir“ oder „ich such mich einen neuen Platz“. Das ist schade, denn die bibliophile Ausgabe in geprägtem Leinen, mit den eindringlichen Farbfotos und leuchtend roten Versalien hätte ansonsten – inhaltlich wie optisch – selbst das Zeug zum Lieblingsbuch.
Klaus-Dieter Lehmann (Hg.):
Mein Lieblingsbuch. Geschichte(n) einer Freundschaft.
Hueber Verlag 2010, 151 Seiten, 19,95 €
(Foto: © d-signbureau)
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