Studying auf Deutsch

Studium in einer fremden Sprache – eine doppelte Herausforderung? Foto: Startup Stock Photos

Ob für ein Semester oder ein ganzes Studium: Ausländische Studierende in Deutschland brauchen die deutsche Sprache. Ein Blick auf verschiedene Kenntnisse und studienbegleitende Sprachhilfe an den Thüringer Hochschulen abseits der Großstädte.

von Mici

Für jeden, der an einer Universität studiert, gehören Gespräche in fremden Sprachen zum Alltag dazu: An den Thüringer Hochschulen studieren immer mehr internationale Studierende mit sehr unterschiedlichen Deutschkenntnissen. Wie gut ein Studierender die Sprache seines Gastlandes beherrscht, hängt von vielen Faktoren ab. In manchen Punkten ist es sinnvoll, danach zu unterscheiden, ob die internationalen Studierenden nur ein Gastsemester oder ihr gesamtes Studium in Deutschland verbringen. Doch ist die Einteilung in Gast- und Abschlussstudierende auch in Bezug auf die Sprachkenntnisse sinnvoll oder sind dafür andere Faktoren entscheidend? Die Sprachkenntnisse der Studierenden ausschließlich nach der Dauer ihres Aufenthaltes zu unterschieden, sei aufgrund der komplett unterschiedlichen formalen Voraussetzungen und Qualifikationsziele auf lange Sicht nicht zielführend, erklärt Marcus Hornung, Leiter des International Office der Hochschule Schmalkalden. So sei etwa der persönliche Werdegang des Studierenden ein weitaus bedeutenderer Faktor. Einen Einfluss hat auch der Stellenwert, den Deutschland und die deutsche Sprache im jeweiligen Heimatland haben, weiß die georgische Studierende Salome: „Die internationalen Studierenden, in deren Ländern man auf die deutsche Sprache Wert legt, haben mehr Erfahrungen und bessere Sprachkenntnisse.“ Dennoch lassen sich die Studierenden darin unterscheiden, dass Gaststudierende kaum in die neue Sprache investieren, Abschlussstudierende dafür mehr, da sie auch längere Zeit in Deutschland verbringen.
Diejenigen internationalen Studierenden, die einen Abschluss an einer Hochschule in Schmalkalden, Nordhausen oder Ilmenau anstreben, verfügen in der Regel über gute bis sehr gute Deutschkenntnisse, berichten die Leiterinnen und Leiter der Internationalen Büros dieser Thüringer Hochschulen übereinstimmend. Gaststudierende, die ein oder zwei Semester dort absolvieren, haben zumindest die erforderlichen Grundkenntnisse. Problematischer ist die Situation bei denjenigen, die für ein englischsprachiges Vollzeitstudium nach Deutschland kommen, da dafür keinerlei Deutschkenntnisse erforderlich sind und die Studierenden so teils im universitären, aber hauptsächlich im außeruniversitären Alltag mit Verständigungsschwierigkeiten zu kämpfen haben.
Auf ihren Aufenthalt werden die Studierenden an allen Standorten sprachlich gut vorbereitet und können bei Bedarf zusätzliche Sprachkurse belegen. Prinzipiell sind die Studierenden aber sowieso dazu verpflichtet, die Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang (DSH) oder den Test Deutsch als Fremdsprache (TestDaF) abzulegen, um an einer deutschen Hochschule in Vollzeit studieren zu können. Für Gaststudierende genügt das Niveau B1, das ihnen von ihrer Heimatuniversität bescheinigt wird. „Da alle ausländischen Studierenden unabhängig von ihrer Herkunft für das Studium an einer deutschen Uni ein DSH- oder TestDaF-Zertifikat benötigen, denke ich, dass wir alle ein ähnliches Sprachniveau haben“, beschreibt Salome die Situation der Vollzeitstudierenden. Marcus Hornung aus Schmalkalden sieht das anders: „Standardisierte Sprachtests sind insofern problematisch, dass sich zum Beispiel zwei Studierende auf gleichem Niveau befinden und trotzdem in einer Gruppendiskussion völlig unterschiedlich verhalten können.“ Dem schließt sich Sophia Siegfried, Leiterin des Akademischen Auslandsamtes der TU Ilmenau, an: „Abschlussstudierende mit Niveau B2 müssen bei uns noch einen Spracheingangstest machen, da diese Sprachgruppe nicht homogen ist. So ist das B2-Niveau am Goetheinstitut in München ein anderes als das am Institut in Bukarest. Das heißt aber nicht, dass in München das Niveau höher wäre – zum Teil ist es sogar eher andersherum.“
Die Hochschulen maßen sich aber nicht an, zusätzlich zu den formalen Immatrikulationshürden und den obligatorischen Sprachtests die Gaststudierenden noch einen weiteren Test an ihrer Hochschule absolvieren zu lassen. Die Verantwortung, einen für den Austausch qualifizierten Studierenden auszuwählen, liegt bei der Entsendehochschule.

Anteil der internationalen Studierenden an den Thüringer Hochschulen

Studierendenstatistiken zeigen, dass aus manchen Ländern deutlich mehr Studierende nach Thüringen kommen, als aus anderen. Doch die Hochschulen streben einen Ausgleich zwischen „Geben und Nehmen“ mit ihren Partnerhochschulen an, da auch in den Erasmus-Verträgen diese Balance vorgesehen ist: Man zielt darauf ab, dass die Anzahl der entsendeten Studierenden in etwa mit der der empfangenen Studierenden übereinstimmt. Trotzdem lässt sich eine weltweite Tendenz feststellen: „Die Studierenden orientieren sich nach Westen“, erläutert Sophia Siegfried. So wollen asiatische Studierende nach Russland oder Europa, Studierende aus den USA zieht es nach Australien und die deutschen Studierenden begeben sich hauptsächlich nach Westeuropa und in die USA. Die meisten internationalen Studierenden, die nach Nordhausen, Ilmenau und Schmalkalden kommen, stammen aus asiatischen Ländern. So falle zum Beispiel auf, dass Chinesen oft schriftlich und vor allem in der Grammatik sehr gut seien, aber Probleme bei der Artikulation hätten, erklärt Siegfried. Studierende mit einer romanischen Muttersprache könnten sich dagegen sehr gut ausdrücken, machten dafür allerdings vermehrt Fehler in der Grammatik. Die Sprachfamilie, aus der die jeweilige Muttersprache stammt, beeinflusst das Erlernen der neuen Sprache also erheblich.

Hilfe bei Sprachdefiziten
Neben solchen sprachlichen Differenzen lassen sich manche Probleme, etwa bei Prüfungsleistungen, auf Unterschiede in den akademischen Kulturen zurückführen. So fällt es einigen Studierenden schwer, mit den komplexen Aufgabenstellungen zurechtzukommen oder es mangelt an entsprechendem Fachvokabular. Es macht auch einen großen Unterschied, ob die Studierenden ihre Deutschkenntnisse nur in einem Sprachkurs anwenden müssen oder aber plötzlich vor einem deutschen Professor stehen: „Ich persönlich hatte am Anfang des Studiums viele Probleme mit der Sprache“, erinnert sich Salome, die einen deutschsprachigen Master an der Uni Jena gemacht hat. „Ich konnte nicht vollständig verstehen, was die Professoren gesagt haben, weil sie für mich ziemlich schnell oder mit Dialekt gesprochen haben. Wegen der Sprachschwierigkeiten konnte ich auch an vielen Diskussionen im Seminar nicht teilnehmen – einfach, weil ich mich nicht getraut habe. Es kam auch vor, dass ich die Aufgabenstellungen in Prüfungen wegen der Sprache nicht richtig verstanden habe.“ Auch wisse sie, dass sich viele andere internationale Studierende ebenfalls mit diesen Schwierigkeiten konfrontiert sehen. Die Hochschulen haben allerdings Möglichkeiten gefunden, diesen Problemen entgegenzuwirken, etwa das Hinzuziehen eines Dolmetschers oder die Alternative einer mündlichen statt einer schriftlichen Prüfung. Manchmal lösen sich die Probleme auch von selbst, nämlich wenn sich das sprachliche Defizit durch hohe fachliche Kompetenzen ausgleichen lässt. Der Leiter des Referats für Internationales der Hochschule Nordhausen, Thomas Hoffmann, betont: „Viele der internationalen Studierenden sind fachlich sogar besser als die deutschen Studierenden – und oft auch leistungsbereiter.“ Hierbei lasse sich auch kaum ein Unterschied zwischen Gast- und Abschlussstudierenden feststellen. In Bezug auf die Sprachkenntnisse ist es aber ohnehin sinnvoller, nach der jeweiligen Fachrichtung – statt nach den Abschlussgruppen – zu unterscheiden: Ein Studierender im Bereich der Ingenieurswissenschaften, der sich viele Studieninhalte allein über Bildsprache und Formeln aneignen kann, ist im Schnitt weniger ambitioniert, eine neue Sprache zu lernen, als ein Studierender der Linguistik, für den das Beherrschen der Sprache eine Voraussetzung ist.
Für Probleme allein sprachlicher Natur bieten alle drei Hochschulen Unterstützung an, seien es Sprachkurse vor und während des Semesters, Tutorien, Stammtische oder ein Mentorenprogramm, das Unterstützung etwa bei Behördengängen gewährleistet.
Prinzipiell wollen sich die Hochschulen aber nicht nur auf das Einführen in die neue Sprache konzentrieren, sondern zielen auch darauf ab, den internationalen Studierenden die akademische Kultur und fachlichen Standards in Deutschland näher zu bringen. So gibt es an der Hochschule Nordhausen zum Beispiel Kurse in akademischem Schreiben – sowohl auf Deutsch als auch Englisch. „Das Problem bei solchen Kursen ist aber, dass sie von denjenigen angenommen werden, die es nicht nötig haben – und die, die es nötig hätten, kommen nicht“, so IB-Leiter Hoffmann. Denn die Studierenden – und hier gibt es keinen Unterschied zwischen internationalen und deutschen Studierenden – haben oft Schwierigkeiten, sich selbst und in der Folge auch anderen einzugestehen, wenn sie Probleme haben. „Bei den sprachlichen Problemen wenden sie sich meistens direkt an das Sprachenzentrum“, erklärt Keying Yu vom Verein der chinesischen Studierenden und Wissenschaftler/-innen Jena; selten kämen die internationalen Studierenden mit sprachlichen Problemen zu den Hochschulvereinen.

Reger Austausch auf Deutsch
Um psychische Belastungen jeglicher Ursache zu verringern, gibt es an den Thüringer Hochschulen die Möglichkeit, die psychosoziale Beratung des Studierendenwerks aufzusuchen. Dort setzen sich die meisten mit Problemen wie Versagensängsten, sozialer Isolation und dem Kulturschock auseinander. Neben den kulturellen werden auch sprachliche Barrieren als Grund für Vereinsamungstendenzen angesehen, erläutert Stefan Weniger, Mitarbeiter der psychosozialen Beratung in Ilmenau. „Diese Tendenzen liegen aber bei deutschen Studierenden auch vor, werden nur anders interpretiert.“ Prinzipiell handle es sich bei den Internationalen, die die Möglichkeit der Beratung wahrnehmen, hauptsächlich um Abschlussstudierende; für diese sei die deutsche Sprache von größerer Bedeutung als für die Gaststudierenden: „Deren Englischkenntnisse sind manchmal viel besser als ihre Deutschkenntnisse, weil sie in Deutschland nur ein halbes oder ein Jahr bleiben und Englisch für das Alltagsleben und Studium schon reicht“, betont Keying Yu. Diese Ansicht unterstützt Marcus Hornung, IB-Leiter der Hochschule Schmalkalden: „Während auf die deutsche Sprache im Austauschstudium gänzlich verzichtet werden kann, sind solide Englischkenntnisse dringend erforderlich.“
In ihrem außeruniversitären Alltag finden sich die meisten internationalen Abschlussstudierenden trotz neuer Sprache ohne große Probleme zurecht. Vor allem Studierende, die Vollzeit in deutscher Sprache studieren, befinden sich sprachlich auf entsprechendem Niveau, um auch im Alltag problemlos klarzukommen. Gaststudierenden fällt diese Art der Verständigung aufgrund ihres kurzen Aufenthaltes allerdings schwerer.
Für das schnelle Lernen einer neuen Sprache ist für beide Abschlussgruppen die Interaktion mit den einheimischen Studierenden sehr wichtig. An den Thüringer Hochschulen abseits der größeren Städte ist der Kontakt auf jeden Fall vorhanden: „Vor allem in den größeren Studiengängen oder dort, wo es keine größeren Gruppen derselben Herkunftssprache gibt, herrscht ein reger Austausch unter den Nationalitäten – und das auf Deutsch“, berichtet Thomas Hoffmann über die Situation in Nordhausen. Dem schließt sich die Georgierin Salome an: „Ich habe immer meine deutschen Freunde um Hilfe gebeten, wenn ich Sprachprobleme hatte. Ihre Hilfe und der tägliche Kontakt mit ihnen haben eine wesentliche Rolle in der Entwicklung meiner Sprachkenntnisse gespielt.“ Schwierig wird es aber, wenn sich Gruppen mit vielen Studierenden gleicher Herkunft bilden, da diese dann untereinander in ihrer Muttersprache kommunizieren. Abgesehen von dieser Sprachproblematik wird die Gruppenbildung auch in anderen Punkten oft negativ ausgelegt. „Aber man darf nicht vergessen, dass das junge Menschen sind, die zum Teil das erste Mal für längere Zeit von zu Hause weg sind, alles ist fremd, sie haben Heimweh. Das, was ihnen vertraut erscheint, sind die Menschen aus dem gleichen kulturellen Hintergrund wie sie“, so IB-Leiterin Siegfried aus Ilmenau. Dass man sich zusammentue, sei ganz normal: „Man sucht intuitiv den Kontakt zur eigenen Nationalität. Das würden wir genauso tun.“

Zweite Fremdsprache
Sich mit deutschen Kommilitonen über die Studieninhalte verständigen zu können, heißt aber nicht, dass sich die Gaststudierenden, die hier in englischer Sprache studieren, auch im Alltag ohne Probleme zurechtfinden. Deutschkenntnisse zumindest auf A2-Niveau wären hierfür durchaus sinnvoll, stellen aber eine zusätzliche Hürde dar. Denn: „Die Studierenden sprechen neben ihre Muttersprache schon die Studiensprache Englisch und müssten dann noch in die deutsche Sprache investieren. Da stellt sich die Frage, inwiefern das realistisch ist – obwohl natürlich wünschenswert“, betont Marcus Hornung.
Diese Hürde zeigt, dass die Einteilung in Gast- und Abschlussstudierende für das Sprachniveau durchaus von Bedeutung ist. Es ist aber bei weitem nicht der einzige einflussnehmende Faktor, denn auch die Art des Studiengangs, das Engagement des einzelnen Studierenden und der Kontakt zu deutschen Kommilitonen beeinflussen die Sprachkenntnisse maßgeblich. Entscheidend sind auch der Grad der persönlichen Vernetzung und Integration im Gastland sowie die zentrale oder periphere geographische Lage der Heimathochschule – und damit seien die sprachlichen Fähigkeiten „von Person zu Person viel unterschiedlicher, als solche Cluster wie Exchanges und Degree Seeker abbilden könnten“, unterstreicht Hornung. Doch ganz gleich, worin sich die Studierenden voneinander unterscheiden, eines haben sie in Bezug auf ihr Sprachniveau gemeinsam, erklärt der IB-Leiter: „Das Lernen der Sprache endet nicht mit dem Akt der Immatrikulation, sondern entwickelt sich im Laufe des Studiums weiter.“


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