Ein besonderer Leserbrief

Uns erreicht ein Brief, in dem sich über unsere Ausgabe zum Völkermord an den Armeniern beschwert wird – der Absender: ein türkisches Generalkonsulat. Da unsere Versuche zur Rücksprache bislang erfolglos blieben, geben wir hier nun unsere Antwort in offener Form.

Als Reaktion auf unsere Januar-Ausgabe (unique 69) dieses Jahres erhielten wir vor einiger Zeit ein Schreiben, das als Absender das Generalkonsulat der Türkei in Nürnberg führt. Darin wird bedauert, dass wir die „Ereignisse einer sehr umstrittenen Zeit der Geschichte als ‚Völkermord‘ bezeichnen“. Des Weiteren wird unsere Redaktion belehrt: „Das Erlebte […] als ‚Völkermord‘ an den Armeniern zu bezeichnen“, sei „juristisch nicht haltbar, aus wissenschaftlicher Sicht falsch und moralisch unberechtigt.“
Als Redaktion eines studentischen Magazins, das sich mit internationalen und interkulturellen Themen auseinandersetzt, sehen wir es als unsere Aufgabe, gängige Vorurteile zu hinterfragen. Als (ehrenamtliche) Journalisten fühlen wir uns der Wahrheit verpflichtet, sind uns aber auch bewusst, dass die inhaltliche Darstellung bestimmter Themen auf unterschiedliche Reaktionen stoßen. Darum stehen wir sachlicher Kritik an unseren Artikeln offen gegenüber und begrüßen in dieser Hinsicht grundsätzlich jede Rückmeldung.
Dass in dem Brief mehrfach die wissenschaftliche Sichtweise der von uns konsultierten Experten nicht nur kritisiert, sondern als „falsch“ dargestellt wird, können wir nur bedauern; die betroffenen Wissenschaftler wird solche Kritik jedoch vermutlich – da sie sich seit Jahren, teils Jahrzehnten mit der Thematik befassen und solche Reaktionen auf ihre Arbeit gewohnt sind – kaum überraschen.
Herr Asip Kaya kritisiert, unsere Redaktion lasse in der Ausgabe die türkische Sicht nicht ausreichend zu Wort kommen. Richtig ist hingegen: Auch wenn freilich die türkische Position zu dieser Thematik regelmäßig öffentlich thematisiert wird – nicht zuletzt durch Medien- und Agenturmeldungen über Äußerungen türkischer Regierungsvertreter – stellen natürlich auch wir in unserer Ausgabe die offizielle Position türkischer Stellen dar: Zum einen wird im Artikel „Zwischen Völkermord und Umzüge in die fruchtbare Wüste“ (Seite 8 bis 11) die offizielle türkische Darstellung der so genannten „Geschehnissen im Jahre 1915“ präsentiert, wie sie das türkische Ministerium für Nationale Bildung in den Schulen lehren lässt. Zum anderen erläutert das der Ausgabe vorangestellte ausführliche Editorial bereits die Problematik der entgegengesetzten Sichtweisen. Im Editorial thematisieren wir auch den Umstand, dass wir bei unseren Recherchen seit Herbst 2014 „kaum Rückmeldungen von türkischen Stellen oder Befragten in der Türkei“ erhalten haben. Wenn uns Herr Asip Kaya also implizit eine einseitige Quellenauswahl vorwirft, sei hier versichert: Bemühungen unserer Redaktion zur Kontaktaufnahme mit türkischen Vertretern gab es – diese scheiterten allerdings in aller Regel an fehlender Bereitschaft bzw. ausbleibender Rückmeldung. So blieb eine Presseanfrage an die türkische Botschaft in Berlin, die zuerst telefonisch, später nochmals per Email angefragt wurde, nicht nur bis zum Redaktionsschluss im Januar, sondern bis zum heutigen Tag unbeantwortet. Auch Anfragen an türkische Privatpersonen zu ihren Erfahrungen mit der Thematik blieben fast sämtlich unbeantwortet.
Herr Kaya schließt sein Schreiben mit der Bitte, in der nächsten Ausgabe der unique „auch unsere Ansichten über dieses Thema Berücksichtigung finden“ zu lassen. Trotz der Zusicherung, dass wir uns bei Fragen jederzeit an das Konsulat wenden könnten, blieben unsere zahlreichen Kontaktversuche – trotz Hinterlegen unserer Rufnummer – bisher erfolglos. Darum konnten wir bis heute nicht zweifelsfrei in Erfahrung bringen, ob der Brief tatsächlich vom türkischen Generalkonsulat versandt wurde und würden es weiterhin begrüßen, wenn das zugesicherte Gespräch zu Stande käme.

Nachfolgend das Schreiben an uns, das als Absender das Generalkonsulat der Republik Türkei führt (für größere Ansicht klicken):

 AGHET 1915–2015: Die Kurden und der Völkermord | memorique: Genozid und Geschichtsunterricht | Das Deutsche Reich und die Bagdadbahn | klassiquer: Die vierzig Tage des Musa Dagh | Kulturelle Verarbeitung des Völkermords


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