Im Jahr 1964 entstand mit Sergio Leones „Per un pugno di dollari“ nicht nur der italienische „Spaghettiwestern“ als ganzes Subgenre der Lichtspielkultur, sondern auch ein stilistischer Pionierfilm mit revolutionären Einflüssen auf das moderne angloamerikanische Actionkino.
von gonzo
Knochentrocken flimmert der Hauch des Todes über der verbrannten Pampa. Ein eremitenhaft in einen Poncho geschlagener Reiter hält auf das gottverlassene Nest San Miguel in New Mexico zu. Auf Gastfreundschaft wird der Fremde hier nicht treffen – die Wesenszüge der Bewohner sind so minimalistisch wie die Landschaft am Fuße der Sierra de los Filabres. Doch schnell wird klar: Der charismatische Neuankömmling weiß sich durchzusetzen, handelt es sich doch um den einsilbigen, gleichwohl gewitzten Draufgänger „Joe“ alias Clint Eastwood himself.
Von Antihelden und liebenswerten Halunken
Dabei werden zahlreiche Disparitäten zum ursprünglich US-amerikanischen Westerngenre offensichtlich. Die Sierra de los Filabres liegt nicht etwa in Nordamerika, gedreht wurde die italienisch-spanische Koproduktion im Herzen Andalusiens. Auch der als „Antiheld“ bezeichnete Hauptdarsteller steht im Widerspruch zu den moralisch einwandfrei überzeichneten Vorbildern aus Hollywood: Joe ist ein Gesetzloser, ein Söldner. Er tötet für eine Handvoll Dollar.
Zwischen guten Cowboys und bösen Banditen, aber auch gottesfürchtigen Damen und ruchlosen Huren, wird nicht klar getrennt. Alle haben Dreck am Stecken doch selbst der größte Lump kann noch mit einer einfühlsamen Attitüde überraschen. Das Setting des Films spiegelt seine zwielichtigen Charaktere wider. San Miguel ist ein schäbiges Kaff im Nirgendwo, fest im Würgegriff zweier rivalisierender Schmugglerbanden. Dies nutzt unser Protagonist skrupellos aus, indem er sich in die gut bezahlten Dienste der beiden Banden stellt, ohne sich jedoch klar zu einer Fraktion zu bekennen. Der Plan scheint zu gelingen, bis eine schöne Frau ins Spiel kommt und sein Gewissen weckt.
Minimalistische Gewaltkompositionen
Dieser Stoff ist nicht neu. Leone verfilmte und interpretierte den Eastern-Klassiker „Yojimbo“ des japanischen Meisterregisseurs Akira Kurosawa neu. Innovativ sind jedoch die geradezu zelebrierten Nah- und Detailaufnahmen im Techniscope-Breitbildformat und der unverwechselbar narrative Score des italienischen Komponisten Ennio Morricone. Filmmusik und Handlung bilden eine solch vollendete Symbiose, dass man vor Freude aufspringen und Beifall klatschen möchte. Die auch auf diese Weise minutiös hochstilisierten Gewaltdarstellungen waren seiner Zeit aufsehenerregend provokativ und moderne Regisseure wie Quentin Tarantino verweisen in ihren Werken immer wieder auf diese Wurzeln.
Leichen pflastern seinen Weg
Das zeitlose Thema des namenlosen Outlaws mit nebulöser Vergangenheit, getrieben von Schmerz und von Rache, ist eine Allegorie auf die Rebellion gegen starre Autoritäten, Ausgrenzung und andere gesellschaftliche Missstände. Die Geburt des „Italo-Westerns“ in den Sechzigern fällt nicht zufällig in eine Zeit der zunehmenden Emanzipation und Politisierung vor allem Jugendlicher. Clint Eastwood wurde zu einem Idol der Subkultur und gefeiert wie ein Rockstar. Die anfangs von den großen Filmstudios belächelten Low-Budget-Produktionen aus Europa sind Persiflage und Abgesang auf die konventionell verklemmten Werte des moralinsauren Heile-Welt-Hollywood-Kinos. Doch nur wenige der später wie am Fließband nachfolgenden Werke erreichten das hohe Niveau von Klassikern wie Leones „Dollar-Trilogie“, „Spiel mir das Lied vom Tod“ oder Sergio Corbuccis „Django“.
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