Seit vielen Jahren setzt sich Mo Asumang mit Rassismus auseinander, so auch in ihrem aktuellen Buch Mo und die Arier. Die Autorin und Moderatorin sprach mit unique über Ängste, den Umgang mit Nazis und den „verlorenen Blühende-Landschaften-Krieg“.
unique: Am Anfang Ihres Buches steht eine Angst, die wohl nur Wenige nachvollziehen können – nämlich eine konkrete Todesdrohung durch eine Nazi-Band…
Asumang: Ja, „die Kugel ist für dich, Mo Asumang“… danach kam erst einmal der totale Zusammenbruch. Das erste, was diese Angst bewirkt hat, war das Verlieren meiner eigenen Person. Ich bin nur noch ängstlich durch die Gegend gefahren, habe zu Hause alles durchsucht, habe selbst im Kofferraum nachgeschaut, ob da jemand drin sitzt.
Sie beschreiben danach auch Ihre allererste Begegnung mit einem Neonazi. Entwickelt man danach so eine Art Routine im Umgang mit Rassismus und Rassisten?
Also, ich brauchte schon noch ein paar mehr Anläufe als mal einen Nazi kennen zu lernen. Aber das hat auf jeden Fall etwas bewirkt; es hat sozusagen etwas aus dem Kopf in die Realität geholt: von der Vorstellung von einem Rassisten, mit den Schreckensbildern, die damit einhergehen, zu einem manchmal sogar recht verängstigten jungen Menschen, der einem gegenübersitzt. Aber zu Beginn kapiert man das erst mal noch gar nicht – Gewalt und Angst verhindern am Anfang regelrecht, dass man an sich selbst und an die eigene Menschlichkeit herankommt.
Sie konfrontieren sich seit über zehn Jahren ganz bewusst mit Rassismus und rechtem Gedankengut. Gibt es in der aktuellen gesellschaftlichen Situation noch etwas, das für Sie neu ist, das Sie überrascht, Ihnen Angst macht?
Es gibt Dinge, die mir, aber vor allem den Geflüchteten Angst machen – zum Beispiel, wenn Asylunterkünfte brennen. Aber das ist schlicht das Produkt von Hetze: Man muss einfach wissen, dass Rassismus im Menschen gar nicht so stark sein kann, dass derjenige allein losgeht, um jemanden umzubringen oder ein Haus anzuzünden – so etwas wird immer gesteuert, so habe ich das jedenfalls mit der Zeit mitbekommen. Denn ich habe auch einzelne Rassisten getroffen und bin schnell relativ gut mit denen ins Gespräch gekommen, selbst bei Nazi-Demonstrationen. Man kann viele Dinge bewegen, wenn man selbst offen ist. Aber das Offensein ist total schwer – Angst und Gewalt werfen sie uns vor die Füße und wir stolpern darüber. Das erleben ja viele Leute bei Demonstrationen gegen Nazis: Man ist wütend und verliert sich dabei selbst, man fühlt seine Offenheit nicht mehr. Aber auch wenn Wut manchmal wichtig ist als Motor: man darf sich die menschliche Ebene nicht kaputt machen lassen.
Haben Sie durch Ihren langen Umgang mit der rechten Szene auch einen geschärften Blick für Rassismus?
Ja, das denke ich schon. Deswegen habe ich das ja gemacht: weil es für mich wichtig ist, diese Sachen zu durchschauen. Wenn ich weiß, wie Rassismus funktioniert, wie Rassisten versuchen, mich aus dem Gleichgewicht zu bringen, dann kann ich ihnen anders gegenübertreten – ohne mich selbst zu verlieren. Ich möchte so bleiben, wie ich bin.
Nehmen Sie öfter Gemeinsamkeiten wahr zwischen den „harten Neonazis“ und den „durchschnittlichen Menschen“, denen man überall begegnet?
Natürlich, Menschen mit solchem Gedankengut sind überall: beim Bäcker, bei der Post, in Ämtern oder sonst wo. Da braucht man nur an die AfD-Ergebnisse zu denken. Und das, was die Nazis mir gegenüber aussprechen – zum Beispiel „Geh‘ doch zurück in den Busch!“ – das denken viele dieser „normalen“ Menschen scheinbar auch.
Haben Sie denn selbst als Afrodeutsche in den zurückliegenden Monaten Veränderungen bemerkt, wie mit Ihnen umgegangen wird?
Ich spüre es, ja. Ich lebe in Berlin und normalerweise ist das so eine bunte, vielfältige Stadt – da kann man gar kein Rassismus-Gespenst einpflanzen, sage ich immer. Und trotzdem habe ich in letzter Zeit auch dort erlebt, dass ich seltsam angeschaut werde. Zum Beispiel kürzlich auf der Post, als die Kassiererin ganz beiläufig sagte „Egal ist achtundachtzig“ – da habe ich mir erst einmal nichts dabei gedacht. Aber dann sagte sie es noch ein zweites und ein drittes Mal ganz deutlich und schaute mich dabei an – und ich kenne natürlich solche Nazi-Codes: 88, der achte Buchstabe des Alphabets, HH, Heil Hitler. So, wie sie es zu mir gesagt hat, wusste ich, das ist eine Anspielung. Ich dachte, das kann ja jetzt nicht sein. Ich ärgere mich bis heute, dass ich da nichts erwidert habe.
Sie haben im letzten Oktober auch selbst eine Pegida-Demo besucht. Im Buch schreiben Sie dazu den Satz „Sorgen sehen anders aus“. Was entgegnen Sie der im Kontext von Pegida häufig geäußerten Forderung, man müsse die Ängste der Bürger ernst nehmen?
Das stimmt – aber dann muss man eben auch etwas dafür tun. Und die Menschen nicht hängen lassen! Die Sache ist ja auch: Viele dieser Bürger wurden erst gezielt wütend gemacht! Zum Beispiel mit der Hetze gegen Muslime, und das, obwohl es gerade in Sachsen kaum Muslime gibt. Rassismus ist eine gemachte Sache. Rassismus funktioniert nur mit den Ängstlichen. Auch Frauke Petry von der AfD hat gesagt: „Wir brauchen die Ängstlichen.“ Man sucht also ängstliche Menschen – aber nicht, um aus ihnen glückliche Menschen zu machen. Sondern um sie ängstlich zu halten, ja, um sie noch ängstlicher zu machen. Und das ist menschenverachtend, eine Sauerei! Man kümmert sich eben nicht um die Sorgen der Menschen. Und noch schlimmer: Die meisten davon kapieren gar nicht, was da mit ihnen gemacht wird. Dass sie dort verheizt werden, hat mir mal ein Aussteiger gesagt: „Kanonenfutter eben“.
Was denken Sie, wieso das funktioniert?
Weil es oft Menschen sind, die an keiner anderen Stelle aufgefangen werden. Dafür müssen wir sorgen! Indem man auch die Leute am Rande der Gesellschaft auffängt und ihnen hilft. Es gibt ja viele Beispiele, wo rechte Gruppierungen das Fehlen von Angeboten nutzen, um Menschen für sich zu gewinnen, sei es mit Jugendclubs oder mit Sammeltaxis für Senioren.
Gibt es denn aus Ihrer Sicht so etwas wie eine spezifische „German Angst“ in Ostdeutschland?
In meinem Buch spreche ich vom „verlorenen Blühende-Landschaften-Krieg“. Damals, nach 1990, ging alles ganz schnell, Firmen wurden aufgekauft, Strukturen verschwanden, viele Leute im Osten Deutschlands konnten darauf nicht rechtzeitig reagieren. Jetzt, wo wieder Menschen „von außen“ kommen, denken sie: Das darf uns nicht noch einmal passieren. Auch wenn die, die heute kommen, ganz andere sind – nämlich Flüchtlinge und Menschen in Not.
Frau Asumang, wir danken Ihnen für das Gespräch!
Das Interview führte Frank.
Mo Asumang, geboren 1963 als Kind einer Deutschen und eines Ghanaers, wurde 1996 Deutschlands erste afrodeutsche TV-Moderatorin (Liebe Sünde). Seitdem arbeitet sie unter anderem als Moderatorin und Filmemacherin (Roots Germania und Die Arier, beide Grimme-Preis nominiert). Ihr Buch Mo und die Arier ist im Fischer-Verlag erschienen.
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