Indi-Pendent shorts – Kurze Alternativen zu Bollywood

Capitol-indischer-Film

Wer an Filme aus oder über Indien denkt, hat zunächst wahrscheinlich nur ein Bild im Kopf: singende und tanzende Menschen in farbenfrohen Bollywoodproduktionen. Der indische Film hat jedoch sehr viel mehr zu bieten. Ein schiefes Bild zurechtrücken wollte daher auch das 11. Jenaer „cellu l’art“-Kurzfilmfestival.

von LuGr

Vom 14. bis 18. April wurde das „Capitol“-Kino wiederbelebt, um u.a. drei Länderschwerpunktblöcke zum Thema „Filme vom indischen Subkontinent“ zu zeigen. Und tatsächlich wurde ein vielfältiges filmisches Spektrum präsentiert, das nach dem ersten Block durch eine Zusammenstellung eher experimenteller Filme noch gewöhnungsbedürftig war, im weiteren Verlauf jedoch durch aufschlussreiche Einblicke in die uns oft noch fremd erscheinende indische Kultur punktete.

Filmemacher als Idealisten?

Indische Regisseure arbeiten insbesondere im Bereich des Kurz- und/oder Independentfilms unter widrigen Bedingungen: Filmförderungsanstalten gibt es kaum und an das nötige technische Equipment kommen sie oft nur schwer heran. Ein Filmstudent an der „Srishti School of Art, Design & Technology“ in Bangalore habe es folglich recht schwer, wie Ulrike Mothes – die als Kuratorin den letzten Länderschwerpunktblock aus studentischen Arbeiten zusammenstellte – in ihren einleitenden Ausführungen zu den Kurzfilmen betonte. Dabei waren „ihre“ Filme die zugänglichsten.

Sie handelten von einem Taxifahrer, der in seinem Gefährt von Geschäftsleuten bis hin zu Bauarbeitern täglich Menschen aus fast allen Gesellschaftsschichten Indiens transportiert (in „Stasis“), oder von einem Mädchen, welches ihrem Schwarm Shah-Rukh Khan durch einen Schreibwettbewerb näherkommen möchte, obwohl die große Liebe in ihrer unmittelbaren Umgebung auf sie wartet („Tumse Milke“).

Schattenseiten einer aufstrebenden Wirtschaftsmacht

Diese zwei Synopsen stehen stellvertretend für die übergeordneten Themen, mit denen sich viele Filme des Länderschwerpunkts auseinandersetzten. Neben dem Einfluss westlicher Lebensstile und –entwürfe, dessen Auswirkungen sich insbesondere in der Etablierung einer riesigen Kulturindustrie und im Wirtschaftsboom niederschlagen, wurden auch die Probleme der indischen Gesellschaft wie Armut und Menschenhandel thematisiert. Einen nachdenklich stimmenden Eindruck hinterließen „Thanks“, in dem vier Schuljungen auf dem Nachhauseweg Zeugen einer Kindesentführung werden, sowie die Kurzdokumentation „Children of Nomads“, in der eine Gruppe umherziehender Nomadenkinder von einer Gleichaltrigen zu ihren Ängsten und Träumen interviewt wird. Die Filme sind dabei stets im indischen Alltag verankert, spielen auf den Straßen oder in den Häusern der Städte. Hier kommt eine schmucklose und intime Alltagsrealität zum Tragen, die dem westlich vorgeprägten Auge von „Slumdog Millionär“-Regisseur Danny Boyle weitgehend verborgen geblieben ist.

Am Ende fiel der Vorhang zweimal

Die insgesamt erstaunlich hohe Qualität sowie der Abwechslungsreichtum der Filme im Indien-Länderschwerpunkt (gleiches galt für den internationalen Wettbewerb und das „B-Sides“-Special) waren die großen Pluspunkte des Festivals, wie auch das von Sri Lanka stammende Jurymitglied Gloriana Gunarubini Selvanathan betonte. Ganz ähnlich sah es erfreulicherweise das Publikum: Es strömte in Massen in das „Capitol“ und weckte es so kurzfristig aus seinem Dornröschenschlaf.


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