Graciela Cros, eine der wichtigsten Stimmen patagonischer Literatur, besucht vom 4. bis 6. November Jena und spricht über die Schwierigkeiten des Schreibens aus der ‚Peripherie‘ und die problematische Position patagonischer Autorinnen und Autoren.
von Evelyn Hertenberger (Institut für Romanistik, FSU Jena)
„Für mich ist die Peripherie das Zentrum!“, gesteht Graciela Cros. Ihre Wahlheimat Patagonien ist für die Autorin nicht nur ein Wohnsitz, sondern auch ein Ort existenzieller Identifikation: Die geografische Peripherie des patagonischen Raums macht Cros in ihrer Lyrik zum literarischen Zentrum und setzt sich kontinuierlich mit dem ‚anderen Argentinien‘ jenseits von Buenos Aires auseinander.
Geboren 1945 in Carlos Casares (Provinz Buenos Aires), siedelt Cros 1971 nach einem Literaturstudium an der Universität in Buenos Aires in den Süden Argentiniens um und widmet sich ganz dem Schreiben. In den bisher veröffentlichten Gedichtbänden, darunter Cordelia en Guatemala (2001/2013), Libro de Boock (2004), Mansilla (2010) und Cantos de la gaviota cocinera. Antología personal (2013), spiegeln sich die zentralen Leitmotive der patagonischen Literatur wider: die Suche nach Identität im Kontext kultureller Heterogenität, die Kritik an postkolonialen Machtstrukturen, der Versuch der Definition eines (anderen) Literaturkanons.
Ihre eindrucksvolle starke Stimme – ein Konglomerat aus weiblichem, politischem und literarischem Aufbegehren – erhebt Graciela Cros vor allem, indem sie nicht an den ihr vermeintlich verordneten Grenzräumen eines möglichen Wirken-Könnens innehält. Stattdessen bricht sie mit poetischen und geopolitischen Konventionen, um ihren frei gewählten Arbeits- und Schreibraum neu zu konstituieren. Die Loslösung von einer ausschließlich regionalistisch geprägten patagonischen Literatur ist dabei für Cros von großer Bedeutung. Auch hierdurch wird die Autorin zu einer der wichtigsten und repräsentativsten Stimmen jener patagonischen Literatur, die sich gerade ihren ganz eigenen Platz auf der nationalen und internationalen literarischen Landkarte erobert.
2010 wurde die Autorin in die Anthologie 200 años de poesía argentina des bekannten Literaturkritikers aus Buenos Aires, Jorge Monteleone, aufgenommen und erscheint hier an der Seite der großen Namen der argentinischen Literatur wie Jorge Luis Borges, Leopoldo Marechal, Alfonsina Storni und Silvina Ocampo.
Aber auch in Europa wird Cros‘ Werk rezipiert. So erscheinen einige ihrer Gedichte u.a. in der Anthologie der argentinischen patagonischen Lyrik La frontera móvil: antología de poesía contemporánea de la Patagonia argentina (Spanien, 2015) von Concha García. Außerdem hat Cros im Jahr 2004 einen Roman veröffentlicht, Muere más tarde, mit dem sie den renommierten Preis Primer Premio de la Secretaria de Cultura de la Nación por la Región Patagónica gewann.
Aktuell organisiert und hält Graciela Cros zahlreiche Literaturworkshops und formt so in einem ständigen Austausch mit anderen Autoren und Literaturwissenschaftlern auch die folgenden Autorengenerationen in Patagonien. Im Internet gestaltet die Autorin den Lyrik-Blog „Una de poetas“ und trägt damit zu bei, dass die patagonische Literatur zunehmend national und international sichtbar wird.
Vom 4. bis 6. November wird Graciela Cros auf Einladung von Frau Prof. Dr. Claudia Hammerschmidt (Institut für Romanistik) an der FSU Jena zu Gast sein. Dabei wird sie u.a. in einer öffentlichen Abendveranstaltung Auszüge aus ihrem lyrischen Werk präsentieren. Die Lesung wird in spanischer und deutscher Sprache stattfinden, sodass die Veranstaltung auch nicht-spanischsprachigen Zuhörern einen Zugang zur patagonisch-argentinischen Literatur ermöglicht. Weitere Informationen auf romanistik.uni-jena.de/Hammerschmidt.html
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