Eine Ausstellung der Bundeszentrale für politische Bildung präsentiert in Bad Kösen Postkarten mit antisemitischen Motiven vom Kaiserreich bis zum Dritten Reich.
von LuGr
Judenfeindlichkeit ist schon seit 2.500 Jahren besonders in Europa weit verbreitet. Stereotype Darstellungen von Juden mit krummen Nasen – ein Symbol für den Teufel – existieren seit dem Mittelalter. Massenhafte Verbreitung antisemitischer Zeichnungen und Bilder, auf denen Juden als „Wucherer“, Betrüger, sexuelle Verführer oder – aufgrund von Familiennamen wie Hirsch, Löwy oder Bär – als Tiere dargestellt wurden, kamen aber erst später auf. Sie gehörten insbesondere bei den in den 1890er Jahren eingeführten Postkarten zu den Standard-Motiven. Durch jährlich drei Millionen Sendungen innerhalb des Deutschen Reichs erreichte dieser Antisemitismus breite Bevölkerungsschichten und wurde dadurch noch „gesellschaftsfähiger“.
Die von der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) zur Verfügung gestellte Wanderausstellung „abgestempelt – judenfeindliche Postkarten“ führt dabei eindrucksvoll vor Augen, welche Ängste vor Juden die Bevölkerung aufgrund dieser Stereotypen hatte und wie sie diesen Ängsten mit stigmatisierenden Karikaturen begegneten. Doch erhob sich aus diesen latenten Diskriminierungen zusehends ein waschechter Hass, der in gesellschaftlichen Ausgrenzungen und schließlich im Holocaust mündete. Die oftmals als hinterhältige Bänker dargestellten Juden nährten auch in den Postkartenmotiven zu Zeiten der Weimarer Republik die populäre „Dolchstoßlegende“ oder wurden als Sklaventreiber des „Deutschen Michel“ gezeigt, der Symbolfigur für die Freiheit des deutschen Volkes seit der Reichsgründung 1871. Die Motive waren – im doppelten Sinne – Feindbilder.
Die Ausstellung präsentiert knapp 300 judenfeindliche Postkarten, die vom Berliner Sammler Wolfgang Haney bereitgestellt wurden. Dabei ist es etwas schade, dass das Kapitel „Wenn der Antisemitismus an die Macht kommt…“ nur sehr knapp behandelt wird. Antisemitische Postkarten aus dem Dritten Reich kommen bei Texttafeln zu Propagandafilmen wie „Jud Süß“ und „Der ewige Jude“ etwas zu kurz, bevor die Ausstellung thematisch brüchig in die Gegenwart überleitet. Hier werden Stereotype präsentiert, die Europäer voneinander haben; von stehlenden Polen und Socken in Sandalen tragenden Deutschen mit schlechten Manieren. Dabei regt dieser Abschnitt zum Nachdenken darüber an, wie schnell aus Vorurteilen wider besseres Wissen Stereotype erwachsen, die sich in Rassismus niederschlagen. Die Grenze zwischen ironischem Humor und ausgeprägter Xenophobie, die schnell in Diskriminierungen oder gar Gewalt umschlagen kann, war dabei schon vor über 120 Jahren fließend.
Die Ausstellung abgestempelt – judenfeindliche Postkarten ist noch bis zum 19. Januar 2012 im Romanischen Haus in Bad Kösen zu sehen (Eintritt: 2,50 Euro, ermäßigt: 1,50 Euro). Weitere Informationen findet ihr hier.
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