Für 4,95 Euro um die halbe Welt: Das T-Shirt vom Textildiscounter ist sicher eines der Symbole der globalen Produktionskette. Von der Baumwollernte in Pakistan bis zum Verkauf in Deutschland – wir zeichnen den langen Weg für euch nach.
von Elisa
Das T-Shirt: Es scheint unter allen Kleidungsstücken das simpelste zu sein. Es besteht nur aus vier Einzelteilen, acht Nähten und einem kleinen Schildchen am Kragen. Doch betrachtet man den Lebenszyklus dieses Oberteils, stecken in ihm Feldarbeit, Pestizide, tausende Kilometer Transportweg, Preisverhandlungen, hunderte Arbeitsschritte, Bilanzen – zusammen die Arbeitskraft unzähliger Menschen.
Das Leben eines T-Shirts beginnt mit der Keimung des Baumwollsamens. Besonders häufig wird jene Pflanze in asiatischen Gebieten – Pakistan, China, Indien – und in den Südstaaten der USA angebaut. Im Falle der USA helfen hoch technologisierte Maschinen bei der Ernte, so kosten die 400 Gramm Baumwolle, die in etwa für ein T-Shirt benötigt werden, den Abnehmer lediglich 0,40 Euro. Trotz schlechter maschineller Versorgung gelingt es einem Land wie Indien dennoch, Baumwolle für den halben Preis zu produzieren. Denn unterbezahlte Arbeiter sind schließlich günstiger als Maschinen – und das trotz massiver Subventionen in den USA.
Hoher Ressourcenverbrauch
Doch dafür muss man Opfer bringen: Jährlich sterben 10.000 Menschen weltweit an Vergiftung durch die Pestizide, die man zum Baumwollanbau benötigt. Ganze Landstriche und ihr Grundwasser werden davon verpestet. In den trockenen Gebieten des Baumwollanbaus bedarf die Kultivierung so viel Wassers, wie alle privaten Haushalte der Welt in einem Jahr verbrauchen. All das führt zur Austrocknung und Versalzung der Böden. Dazu kommt eine rege Konkurrenz mit der Nahrungsmittelindustrie um die Flächennutzung. Der durch monokulturellen Anbau belastete Boden und unberechenbare Witterungsbedingungen verringern zusehends den Ernteertrag, sodass der Baumwollpreis sich seit 2008 verdoppelt hat. Die meisten Textilkonzerne möchten diese Preissteigerung jedoch nicht an ihren Kunden auslassen und halten die Preise konstant. Stellt sich nur die Frage, wo die Kosten eingespart werden, um immer noch genügend Gewinn zu machen.
In den letzten drei Jahren ist auch ein steigender Umsatz von Bio-Baumwolle zu beobachten; denn der Ertrag stieg in dieser Zeit von 3,2 Milliarden auf 4,3 Milliarden Dollar weltweit. Zudem verstärkt sich die Nachfrage nach anderen Rohstoffen wie Hanf und Leinen, die inzwischen hochwertig verarbeitet werden können und dabei leichter im Anbau sind als die Baumwolle. Trotzdem ist die weiße Kulturpflanze nach wie vor die Nummer eins in der Textilherstellung.
Ein internationaler Prozess
Nach der Ernte wird die Baumwolle zur Weiterverarbeitung in verschiedene Länder Asiens, wie Bangladesch, verschifft. Dieses Glied der textilen Kette ist hauptsächlich von maschineller Arbeit geprägt. Unterschiedliche Mischverhältnisse der Fasern produzieren verschiedene Garnarten, die dann zu Flächen verwebt werden. Dazu müssen die Rohfasern im Vorhinein jedoch mit aggressiven Chemikalien und unter massivem Energieverbrauch gereinigt werden. Dieser Arbeitsschritt sowie der entstehende Faserstaub bei der Bearbeitung können die Gesundheit der Arbeiter stark belasten. Danach bekommt der nun fein gewebte Stoff die vom Auftraggeber gewünschte Farbe. Die dazu verwendeten Farbstoffe wurden in den meisten Fällen synthetisch hergestellt und verbleiben oft bis zu 20 Prozent im Abwasser. Allein in einem Land wie Deutschland, mit strengen Qualitätskontrollen, sind 7.000 dieser Stoffe im Einsatz.
Arbeitgeber von Millionen
Welche der zahlreichen Fabriken in den Entwicklungsländern tatsächlich den Zuschlag der großen Modekonzerne bekommen, wird fast immer vom günstigsten Preis bestimmt. So gehen die Mehrzahl aller Bestellungen, die von westlichen Bekleidungsunternehmen in Auftrag gegeben werden, an China, Indien oder Bangladesch. In diesen Teilen der Welt schafft die Textilindustrie die Mehrzahl an Arbeitsplätzen, in Bangladesch macht sie 75 Prozent der Exportleistung aus. Allerdings bleibt nur ein kleiner Betrag des erwirtschafteten Gewinns tatsächlich in den Produktionsländern; der Großteil des Umsatzes fließt in die Länder der Auftraggeber. So kostet ein T-Shirt aus Bangladesch in der Produktion circa 1,35 Euro, wodurch sich der Gewinn für ein Tiefpreis-T-Shirt von 4,95 Euro für das Modeunternehmen auf 3,60 Euro beläuft, also das Dreifache des Gewinns der Produktionsstätten.
Arbeit für Quantität
Der Stoff wird dann in der Konfektion im Akkord zugeschnitten, genäht und kontrolliert, weshalb dieser Produktionsschritt der arbeitsaufwendigste ist. Die Verfeinerung des Designs findet nicht zwingend in der gleichen Fabrik statt. Somit wechselt das T-Shirt zur Verzierung mit Aufdrucken, Pailletten, Knöpfen oder ähnlichen Details erneut den Produktionsort und wird in Partnerfabriken, zum Beispiel in Indien, weiterverarbeitet. Dies bleibt dem Auftraggeber teilweise vollkommen verborgen und macht vollständige Kontrollen für ihn unmöglich. Daran schließt sich die sogenannte „Veredelung“ an, in der die Kleidungsstücke fusselfrei, geschmeidig, schmutzabweisend und pflegeleicht gemacht werden.
Das letzte Schiff
Dann treten die T-Shirts zu Tausenden in überdimensionalen Containern ihren Weg in die verschiedenen Filialen der ganzen Welt an. Dazu wurde, etwa in Malaysia, ansässigen Fischern Land abgekauft, um einen neuen Hafen zu bauen. Denn längst ist Singapurs großer Hafen zu teuer geworden, weshalb geringe Preise nicht mehr garantiert werden konnten. Ein Frachtschiff kann 8.000 solcher Container fassen und kostet für eine Strecke von Bangladesch nach Deutschland gerade einmal 2.800 Euro pro Container. Das sind auf das T-Shirt gerechnet lediglich sechs Cent. In den letzten Jahren trat nun vermehrt das Problem auf, dass es an Containern mangelte, um die Massen an Kleidungsstücken transportieren zu können, wodurch auch die Containerpreise stiegen.
Bis also das T-Shirt in den einzelnen Bekleidungsgeschäften angekommen ist, hat es bereits einen Weg von etwa 20.000 Kilometern zurückgelegt. Dort wartet es dann, hübsch auf einem Stapel sortiert, täglich zehn Stunden darauf gekauft zu werden. Für eine Hand voll Euro kann das gute Stück erworben werden und erlebt von nun an einige Jahre Sonne, Alltag und Feste mit. Wie lang dies der Fall ist, hängt hauptsächlich vom Nutzungsverhalten der jeweiligen Person ab. Ständiges Waschen und Trocknen lässt die Kleidung altern und verbraucht zudem immense Mengen an Energie und Wasser. Wenn das T-Shirt dann also als „untragbar“ deklariert wurde, landet es meist im Müll, wobei ein perfekter Kreislauf erst dann hergestellt wäre, wenn die alten Textilien eine Wiederverwendung finden würden. Inzwischen versucht man verstärkt Altbekleidung weiter zu nutzen, indem man sie zum Beispiel in Second-Hand-Läden bereitstellt oder zu Putzlappen verarbeitet. Darüber hinaus gründeten sich einige innovative Modelabels, die Designerkleidung aus Alt- und Resttextilien schaffen.
Somit besteht das T-Shirt, das zu Dutzenden in unserem Schrank liegt, nicht nur aus vier Teilen, acht Nähten und einem Schild.
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