Obwohl „klassische“ Hochschulpolitik von Anfang an kaum ein Thema der unique war, blieben Konfrontationen mit dem Studierendenrat der Uni auf Dauer nicht aus. Ein Rückblick.
von gouze und Frank
Die Gründung der unique im Jahr 2001 wäre ohne die finanzielle Unterstützung des FSU-StuRa nicht möglich gewesen. Trotz einiger skeptischer Stimmen im Gremium, ob Jena denn wirklich eine zweite Hochschulzeitschrift brauche, wurde das junge Magazin anfangs auch personell unterstützt. „Aus dem StuRa-Umfeld gab es einige, die mitgearbeitet haben“, erinnert sich Florin Schneider, der erste Chefredakteur des Magazins. Einige Studentenvertreter hätten einen Konkurrenten zum kritischen Akrützel wohl ganz gern gesehen, so Schneider weiter. Was als eine Mischung aus Skepsis und Wohlwollen begann, setzte sich in den folgenden Jahren als ein weitgehend reibungsloses Nebeneinander fort. „Die unique hatte eher die ‚braven’ Themen – die tat keinem weh“, erklärt Tino Nazareth, langjähriges Redaktionsmitglied und Chefredakteur. „Außerdem stand die interkulturelle Ausrichtung dem StuRa und der Hochschule gut zu Gesicht.“ Dabei waren die Inhalte keineswegs völlig unpolitisch; Themen wie Umweltschutz, Entwicklungszusammenarbeit oder die Fair-Trade-Bewegung entsprachen allerdings meist dem gesellschaftlichen oder zumindest studentischen Mainstream.
„Kaum wahrgenommen“
„Es wurde schon Stellung bezogen in den Artikeln, aber provoziert wurde in den ersten Jahren überhaupt nicht“, erinnert sich Roman Lietz, jahrelang Redaktionsmitglied der unique. „Die Zeitschrift war zwar immer irgendwie präsent, wurde allerdings kaum wahrgenommen“, so der ehemalige Chefredakteur weiter.
Das änderte sich schlagartig im Januar 2009, als die unique in Ausgabe 45 zur politischen Protestkultur in Jena ein Interview mit einem lokalen NPD-Mitglied veröffentlichte. Über 100 Leserbriefe, empörte und lobende, überschwemmten die Redaktion. Auch wenn zunächst selbst aus StuRa-Kreisen die „inhaltliche Neuausrichtung“ begrüßt wurde, folgten bald erste Rücktrittsforderungen an den Chefredakteur Fabian Köhler.
Gewagter Ansatz
Die Idee des mündigen Lesers stand gegen die Angst vor Verharmlosung bzw. die völlige Ablehnung von Gesprächen mit Rechtsextremen: Kritiker warfen der unique vor, das Interview zu unkritisch geführt und damit rechtsextremen Ansichten eine Plattform geboten zu haben. Die Redaktion gestand handwerkliche Fehler bei der Interviewführung ein. Es sei jedoch, so die Argumentation der unique-Redaktion, nicht Zweck oder Ziel eines interkulturellen Magazins, den studentischen Lesern die Bewertung des Interviewpartners und seiner Aussagen vorzugeben. „Daher wurde trotz kritischer Nachfragen bewusst auf plumpe Stigmatisierung verzichtet, also auf ‚Fragen’, die allein darauf abzielen, vorherrschende Nazi-Klischees in einer Art linker Selbstvergewisserung bestätigt zu bekommen.“, erklärt Lutz Thormann, damals einer der beiden Chefredakteure. „Funktioniert hat dieser zugegebenermaßen gewagte Ansatz allerdings nicht bei allen Lesern. Ein Teil der Öffentlichkeit, besonders der FSU-StuRa, konnte oder wollte unseren Ansatz nicht verstehen und ging auf die Barrikaden“, so Thormann weiter.
Diesen Ansatz verfolgte die unique-Redaktion auch im Rahmen der anschließend gestarteten Interview-Reihe zum Nahostkonflikt, in der „unkommentiert und unbefangen“ Betroffene und Beobachter des Konfliktes zu Wort kommen sollten. Den zweiten Teil dieser Serie bildete ein Gespräch mit einem palästinensischen Journalisten, welcher u.a. für den arabischen Fernsehsender Al-Jazeera und die palästinensische Hamas arbeitete und im Verlauf des Interviews das Existenzrecht Israels in Frage stellte.
Die Hand, die dich füttert
Trotz einer Distanzierung von dieser Rhetorik in einem begleitenden Kommentar wurde der unique, u.a. von Seiten des FSU-StuRa, vorgeworfen, mit dem Interview antisemitische Positionen gesellschaftsfähig zu machen. Wenige Tage nach Veröffentlichung der Ausgabe beschloss das Gremium per Eilantrag die Halbierung seiner finanziellen Förderung für die unique. Als Grund wurde die „nur noch bedingte Vereinbarkeit zwischen den Meinungen des Studierendenrates und den verbreiteten Äußerungen in eurer Zeitung“ angeführt. Chefredakteur Köhler kritisierte diese Maßnahme seinerzeit als „Zensurversuch“, zumal die Redaktion zuvor nicht um eine Stellungnahme gebeten worden war. Das Referat für Interkulturellen Austausch Int.Ro und verschiedene Hochschulgruppen kritisierten die Mittelkürzung; selbst im Akrützel war von „blindem Aktionismus“ die Rede. Nach heftigen Diskussionen wurde der Kürzungsbeschluss einen Monat später zurückgenommen.
Zum dritten und letzten Mal gerieten Uni-StuRa und unique Ende 2009 aneinander, nachdem Unbekannte aus dem Umfeld der Antifa den E-Mail-Verkehr eines Jenaer Neonazis veröffentlichten und dadurch auch Fabian Köhlers journalistische sowie persönliche Kontakte zu diesem – dem früheren Interviewpartner – offenlegten. Vorwürfe wurden laut, wonach der unique-Chefredakteur mit rechtsextremem Gedankengut sympathisiere und den Rechten Einfluss auf den Inhalt des Magazins eingeräumt habe.
Ein Ende mit Schrecken
Die Redaktion sowie das Int.Ro und verschiedene internationale Hochschulgruppen wiesen die Vorwürfe als haltlos zurück. Der Vorstand des FSU-StuRa forderte jedoch den Rücktritt Köhlers und fror die Fördergelder für die unique bis auf Weiteres ein; der damalige Referent gegen Rechtsextremismus, Berengar Lehr, verlangte sogar den Austausch der gesamten Redaktion. Obwohl auch ein Gutachten des Innenreferates bestätigte, dass keine rassistischen oder rechtsextremen Positionen in den Ausgaben zu finden waren, scheiterte in den Haushaltsberatungen für 2010 die unique-Förderung an der nötigen Zweidrittelmehrheit. Das Geld wurde jedoch nicht, wie von Seiten der unique angeregt, für andere interkulturelle Initiativen wie das Int.Ro zur Verfügung gestellt, sondern landete im Haushaltstopf für „externe Projekte“. Die Redaktion wurde informiert, für jede kommende Ausgabe entscheide das Gremium separat über die Förderung, vorbehaltlich des Urteils einer „unabhängigen und externen Journalistenkommission“ , die nochmals eine Bewertung der Artikelinhalte vornehmen sollte. Einen weiteren Vorschlag des Vorstandes, man könne den StuRa auch zum Herausgeber der unique machen, lehnte die Redaktion empört als Eingriff in die freie Berichterstattung ab.
Nach diesen Kontroversen wurde es still; die geforderte unabhängige Kommission wurde nie gebildet. Unter den verbliebenen Redakteuren kristallisierte sich nach einer gewissen Zeit das Bestreben heraus, vorerst ohne finanzielle Unterstützung des FSU-StuRa weiter zu machen. Diese Entscheidung zu einem Neuanfang wurde von einer inhaltlichen Neukonzeptionierung begleitet. Das Ergebnis lag am 28. April 2010 in den Zeitschriftenständern Jenas – unique 51 („Wer hat damit schon gerechnet?“). Bis Mitte des Jahres fand dann auch ein Generationswechsel in der Chefredaktion statt.
Ob es irgendwann wieder eine finanzielle Unterstützung des FSU-StuRa geben wird, ist unklar. Für ausgeschlossen hält es niemand.
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